Wir nehmen aber doch über Gemüse usw. genügend Kohlenhydrate zu uns, so daß die Umsetzung von Proteine zu Glukose nicht so dramatisch sein sollte, oder ?
Hi Shenana,
Grob und sicherlich im Detail vereinfachend gesagt: Wenn Du mehr Proteine zu Dir nimmst als Dein Körper im Moment braucht (für Energie, Reparaturprozesse, Aufbau von Enzymen, Blutkörperchen etc. pp), werden die nicht verwendeten Aminosäuren zu Glucose umgewandelt. Wird die Glucose nicht unmittelbar verstoffwechselt, dann wird sie in Triglyzeride umgebaut und dienen wiederum der Energiegewinnung bzw. Speicherung von Energie im Fettgewebe. Wenn Du also zu viele Proteine zuführst, braucht der Körper seine Fettreserven im Quantum an Glucose oder Triglzeriden, die sie letztlich liefern nicht anzugreifen und Du nimmst weniger ab, als das der Fall wäre, wenn Du die Proteinmenge dem Bedarf anpasst.
Bedarf= Deckung der Lücke, den die in Ketose zu gering zugeführte Glucose angeht + Reparaturprozesse, Aufbau von körpereigener Substanz. Das Gehirn arbeitet auch bei perfekter Ketoadaption nur zu ca. 75% mit Ketonen - der Rest MUSS in Form von Glucose kommen. Sei es aus KH der Nahrung, sei es aus der Gluconeogenese, sei es aus Glyzerin aus den Triglyzeriden. Führe ich KEINE KH zu MUSS die Glucose aus dem Glyzerin kommen (aber das ist zu wenig, um den Glucosebedarf des Gehirns bei Ketoadaption zu decken (ca. 150 kcal.). Zu Beginn der Ketose sind es sogar bis zu 570 kcal. Folglich muss die Gluconeogenese aushelfen und die fehlende Glucose bereitstellen. Nimmst Du kein Protein zu Dir (Totalfasten, "Verhungern"), so wird Körpersubstanz abgebaut um die Glucose zu gewinnen, nimmst Du ausreichend Protein zu Dir, dann bleibt die Körpersubstanz im Idealfall komplett erhalten.
Bei diesen Beispielrechungen habe ich jetzt die von Dir zu recht erwähnten Körperstrukturen, die ebenfalls zwingend Glucose brauchen außen vor gelassen. Klar ist, dass diese den Bedarf an Proteinen (aus Körpersubstanz oder Nahrung) zusätzlich erhöhen.
Ob Du nun die Glucose aus den KH aus "Gemüse usw." oder Proteinen zu Dir nimmst, ist letztlich Jacke wie Hose - Glucose sorgt für Insulinkativität. Der Unterschied ist aber, dass Proteinkonsum neben einer Insulin- auch eine Glukagonreaktion zur Folge hat. KH haben nur eine Insulinreaktion zu Folge. Daher ist es zum Zwecke des Abnehmens aus dieser Sicht sogar vorteilhaft KH auf NULL zu fahren. KH sind kein essentieller Nährstoff. Proteine (zumindest eine ganze Reihe von Aminosäuren darin) hingegen schon. Aber: Auf längere Sicht fehlen uns u.U essentielle Vitamine, Mineralien und Spurenelemente sowie gesundheitsförderliche sekundäre Pflanzenstoffe, wenn wir die KH tatsächlich langfristig auf Null setzen und durch Proteine ersetzen. Deshalb ist es durch aus sinnvoll - auch vom kulinarischen Aspekt her gesehen - gerade soviel an KH zuzuführen, dass man in Ketose bleibt. Wie viel das ist, ist individuell unterschiedlich. Für die meisten Mesnchen sind 40-50g/d ein Anhaltspunkt.
Theoretisch würde man am schnellsten Körperfett verlieren, wenn man nur ein Minimum an KH verzehrt (ideal: Null) und gerade soviel an (individuell angepasst berechnetem) Protein, dass die glucoseabhängigen Organe ihren Bedarf dadurch decken können und die Körpersubstanz nicht angegriffen wird (Minimum ca. 150g/d zu Beginn der Ketose - nach Abschluß der Ketoadaption deutlich weniger (1,2-1,5g kg Lean Body Mass zzgl. etwas mehr bei Leistungssport). Der Rest des Energiebedarfs wird dann bei einer Fettzufuhr von NULL über die Nahrung aus den Fettspeichern gewonnen. In der Summe ergibt sich dadurch bei einem Energiebedarf von exemplarisch 2000 kcal ein Fettanteil an der Energiebereitstellung von 70% - aus dem Körperfett, nicht über die Nahrung. Low Carb (Null) - High Fat (NULL über die Nahrung aber 1400kcal aus den Fettspeichern!)
Um Missverständnisse zu vermeiden - ich halte das nicht für eine vernünftige längerfristige Strategie,wenn man reichlich Gewicht verlieren will/muss. Gehts um 1-2 kg Körperfett, das runter soll, dann kann man so eine extreme Variante durchaus mal für ein paar Tage machen (Bodybuilder machen das in der Vorbereitung auf Wettkämpfe teilweise so...), zieht sich eine Reduktionsdiät aber voraussichtlich über mehrere Wochen oder Monate, dann drohen Mangelerscheinungen, Reduzierung des Grundumsatzes durch die extrem niederkalorige Energiezufuhr, Mangelerscheinungen an essentiellen Nährstoffen usw. Abgesehen davon - wenn man nur noch Nahrungmittel verzehren dürfte, die zu 100% aus Proteinen bestehen, dann ist das weder kulinarisch reizvoll noch praktisch über längere Zeit umsetzbar. Lasst die Finger von so was!
Was man mitnehmen kann aus diesen Zusammenhängen: KH auf ein Minimum reduzieren (und aus nährstoffreichen pflanzlichen Quellen bestreiten), Proteine so anpassen, dass gerade die Körpersubstanz durch die Gluconeogenese nicht tangiert wird und den Rest bis zu einem individuell anvisierten Kaloriendefizit mit hochwertigem Fett bestreiten. Je mehr Fett ihr zuführt, desto weniger verbrennt ihr aber aus Euren Fettspeichern und desto langsamer geht das Abnehmen, läuft aber entspannter und ohne Hunger, Mangelerscheinungen etc. Und das ist m.E. sehr wichtig für den langfristigen Erfolg.
Will man
nicht abnehmen, dann bleibt es bei den gleichen Mengen was KH und Proteinen angeht, aber die Fettmenge wird soweit angehoben, dass der gesamte Energiebedarf aus der zugeführten Nahrung gedeckt wird. Dann spiegelt sich der High-Fat-Charakter der Energie
verwertung auch in der Energie
zufuhr über die Nahrung wieder und steigt i.d.R. auf über 70% an. An der Philosophie der Ernährung ändert sich als bei LCHF im Grunde gar nichts - ob man im Abnehmmodus ist, oder im Haltemodus. Man muss sich keine Gedanken machen, was nach dem Erreichen des Zielgewichts werden soll - einfach so weitermachen, aber z.B. die Olivenölflasche eine Extrarunde über dem Salat machen lassen.
Führt man mehr Energie zu als der Körper braucht (selbst wenn die KH-Zufuhr minimal ist!), sei es aus Proteinen oder Fetten, dann bricht die Ketose ab einem bestimmten Punkt zusammen, weil eben auch Proteine (zu 58%) und Fette (zu 10%) in Glucose verwandelt werden, in sich zusammen. Das führt dann ab einem bestimmten Punkt zum Abbruch der Ketosis und der Körper geht in Glykosis über: Insulin wird hochgefahren, Fettfreisetzung aus Körpergewebe gestoppt, Fettspeichersignale gesetzt, wir nehmen zu - dürfte bekannt sein.
"Soviel Essen wie man will ohne Zuzunehmen" - das funktioniert eben auch mit LCHF nur, wenn das, was man will auch mit dem, was der Körper braucht im Einklang steht. Es fällt aber wesentlich leichter, das mit LCHF zu erreichen als mit anderen Ernährungsformen.
LG Robert
P.S. Wem das alles zu komplex und kompliziert ist, der wird diesen Thread ohnehin ignorieren, nehme ich an. Man muss nicht wissen warum ein Fahrrad nicht umkippt, wenn man drauf fährt, aber es soll Leute geben, die sich auch für sowas interessieren und dabei keineswegs den Spaß am Radfahren verlieren, sondern sogar vertiefen. Wen biochemische Details verschrecken, der kann wahrscheinlich mehr als 24 Stunden am Tag selbst in diesem schönen Forum verbringen ohne diesen Thread anzuklicken. Wenn es Nicole (und Euch allen) lieber sein sollte, dass das Publikum nicht mit Details verschreckt und verunsichert wird, dann schleich ich mich einfach wieder ...