"Hoher" Blutzucker morgens - warum?

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Wingman
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Re: "Hoher" Blutzucker morgens - warum?

Beitragvon Wingman » 6. Oktober 2016, 16:28

Hallo Ihr alle,

nachdem ich hier neu bin ... , zunächst einmal: informativer Webauftritt, tolles Forum!

Hoher nBZ bei Low Carb - ein super interessantes Thema!

Durchstöbert man das Internet, so wie ich es getan habe, als ich meinen relativ hohen nüchtern-BZ von 100 - 115 mg/dl (Kapillarblut aus der Fingerbeere) festgestellt hatte, dann stösst man immer wieder auf dieses Phänomen bei "LowCarbern".

Zu mir:
Nicht Diabetiker, allerdings ... bezogen auf meinen nBZ durchaus "prädiabetisch" (wobei es diese Definition ja noch nicht so lange gibt). Alter: 50+, Low Carb seit 2013, seither BMI 24,9 (+/- 0,2; davor 24 - 26); zwischen 40 - 75 g KH/Tag, Phasenweise 25 - 50 g/Tag für jeweils 10 Tage (dann -> Ketose).

Als Natur- und Geisteswissenschaftler wollte ich mich nicht einfach mit Anekdoten oder populärwissenschaftlichen Abhandlungen begnügen und untersuche die Zusammenhänge (LowCarb, nBZ, mittlerer BZ, Gewicht etc.) seit ca. 2 Jahren so wissenschaftlich, wie es mir möglich ist.

Letzter halbjährlicher Check beim Arzt vor 10 Tagen:

- nBZ: 100 mg/dl (in den letzten Jahren zwischen 90 - 100), jeweils Vollblut zentrifugiert!
- HbA1c: 4,8% !!! (in den letzten Jahren zwischen 4,8 und 5,2 %)

Die diversen Umrechner für HbA1c -> mittleren BZ sind übrigens mit Vorsicht zu geniessen, danach müsste ich einen mittleren BZ um die 73 - 88 mg/dl haben, ... das geben meine Messungen nie und nimmer her!

Den - in meinen Augen - "wahrscheinlichsten" Rechner findet man unter:

http://www.lilly-diabetes.de/patienten/ ... chner.html

Dieser basiert auf einer wissenschaftlichen Studie aus dem Jahr 2008, .... siehe auch:

Nathan DM, Kuenen J, Borg R, Zheng H, Schoenfeld D, Heine RJ, For the A1c-derived average glucose (ADAG) study group Translating the A1C Assay Into Estimated Average Glucose Values. Diab Care 2008; 31:1–6

... und deckt sich nahezu 100% mit meinen eigenen BZ Messungen!

BZ Werte messe ich aus "wissenschaftlichem" Interesse zwischen 4 bis 8 mal am Tag, sowohl prä-, als auch postprandial , jeweils Kapillarblut aus der Fingerbeere mit GLUCOMEN LX plus ... (keine Werbung, alle Messgeräte taugen, hier nur der Vollständigkeit halber).

- Durchschnitt der letzten 90 Tage: 107 mg/dl
- Standardabweichung: 9 mg/dl (das liegt übrigens innerhalb der Messtoleranz des Gerätes!)

..., d.h. mein BZ schwankt statistisch betrachtet zwischen 98 und 116 mg/dl, also eigentlich nicht!

Dabei sollte man beachten, dass ich meist nur am Tag messe. Bei den wenigen Nachtmessungen liegt der BZ bei 80 - 95. Damit passt dann der ermittelte mittlerer BZ von 91 (vgl. HbA1c - 4,8%) recht gut!


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ACHTUNG: Was nun folgt ist weitestgehend meine persönliche Meinung, beruhend auf eigenen Beobachtungen, Messungen und entsprechenden Schlussfolgerungen, - also eine HYPOTHESE !!!
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Was ist da los????

Hirn und Muskulatur benötigen als Energielieferant Glukose (oder z.T. Ketonkörper). Vergleicht man die aktuelle Literatur in Bezug auf Diabetes, so findet man als Grenzwerte für den Kurzzeit-BZ:

- "Unterzucker": unter 50 - 60 mg/dl
- "Überzucker": beginnt bei 140 - 160 mg/dl

Neueste Literatur spricht bereits von Schädigungen (Retina, Nerven, kapillare Blutgefässe) bei kurzzeitigen Zuckerspitzen. Aus langfristigen gesundheitlichen Überlegungen sollte es daher das Ziel sein, den BZ so konstant wie möglich (in der Mitte zu halten) zu halten.

Wir müssten uns eigentlich täglich vor den ausgeklügelten Steuer- und Regelungsmechanismen unseres Körpers (und davon gibt es so unendlich viele, wie z.B. der aufrechte Gang, Temperaturregelung, Herzfrequenz, etc.pp.) verbeugen!

Kurzer Exkurs in die Steuer- und Regelungstechnik:
"Steuerung (open loop control) oder (offener Wirkungsablauf), Regelung (closed loop control) oder (geschlossener Wirkungsablauf). Beim Steuern wird mit Hilfe einer Stellgröße eine Maschine oder Anlage beeinflusst (ohne, dass die Steuergröße auf die Stellgröße zurückwirkt). Regeln ist ein Vorgang, bei dem der IST-Wert einer Größe gemessen und durch Nachstellen dem SOLL-Wert angeglichen wird."
(Zitiert nach: http://www.sbz-monteur.de/2013/08/22/wo ... nd-regeln/).

Nehmen wir einmal an, der "Körper hat erkannt" , es ist sinnvoll den BZ zwischen 50 mg/dl (darunter geht das Licht aus) und 150 mg/dl (darüber kommt es Schädigungen des "Eigentümers") zu halten, dann wäre 100 mg/dl sicher ein guter SOLL-Wert.

Durch den modernen/westlichen, d.h. KH-reichen Ernährungsstil, ist der Körper an gefüllte KH-Speicher in Leber und Muskulatur gewöhnt. Mit jeder der (zu häufigen und KH-reichen) Mahlzeiten steigt der BZ-Spiegel und wird anschliessend über den bekannten Insulin-Regelmechanismus "zurück-geregelt". Da immer wieder eine "Überversorgung" stattfindet, tut der Körper gut daran, den mittleren BZ (SOLL-WERT) eher etwas kleiner als 100 mg/dl zu wählen, da somit die BZ-Spitzen entsprechend niedriger ausfallen.

Genau umgekehrt verhält es sich jedoch beim "adaptierten Low-Carber". Die Versorgung mit Glukose erfolgt zu kleinen Teilen aus dem Nahrungsprotein, im Wesentlichen jedoch aus der Glukoneogenese und Ketonkörpern (max. ca. 200 - 210 g pro 24h; oder etwa 7,5 - 8,5 g pro h). Nimmt nun der betroffene Low-Carber eine körperliche belastende Tätigkeit auf, so muss dieser gerade beschriebene Prozess die dazu benötigte Energie liefern. Hier ist es sicher sinnvoll, den BZ-Spiegel eher auf einem Wert > 100 einzustellen, damit ein Abfall nach unten milder ausfällt (und das Licht "an" bleibt).

Vergleicht man den BZ-Verlauf beim adaptierten Low-Carber über eine 24 h Periode, so entspricht der (zumindest bei mir gemessene) BZ-Spiegel relativ genau der vom Biorhythmus "erwarteten" Leistungsaufnahme für die entsprechende Tageszeit (so versuchen ja auch die Energie-Provider wie RWE und Vattenfall etc., den Spitzenbedarf im Stromnetz vorherzusehen und eine entsprechende Kapazität zur Verfügung zu stellen, um die Netzspannung stabil zu halten, z.B. beim Mittags-Peak).

Der nBZ ist deshalb aufgrund der frühmorgentlich hochfahrenden Glukoneogenese (zum Aufwachen/Aufstehen, ... durch Adrenalin und Cortisol) gegenüber einem "High-Carber" ;-) unter Umständen leicht erhöht.

Die "Richtwerte" für Prä-Diabetes sind daher eher mit Einschränkungen für LCs zu sehen.

(Anmerkung: Vor einem eventuellen Glukosetoleranztest (oGTT) zur Abklärung einer Glukosetoleranzstörung oder eines Diabetes ist unbedingt eine langsame Umstellung auf High-Carb Ernährung erforderlich (10 - 14 Tage), da die Messung ansonsten zum Teil absurde Ergebnisse liefert.)

Wie gesagt, das ist meine HYPOTHESE.

Falls mir jemand durch seine Erfahrungen, BZ Messergebnisse o.ä. helfen möchte, meine These zu verifizieren oder auch falsifizieren würde ich mich sehr freuen!

Viele Grüsse

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Anne
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Re: "Hoher" Blutzucker morgens - warum?

Beitragvon Anne » 6. Oktober 2016, 21:42

Hallo Wingman,

herzlich Willkommen hier im Forum!

Danke für die ausführliche Darlegung deiner Hypothese. Für mich klingt das sehr plausibel, jedoch bin ich diesbezüglich absolut kein Experte. Da werden sich sicher noch andere, die von dem Thema weitaus mehr verstehen, zu melden.

Viele Grüße,
Kap
-53 kg, mehr auf meinem Blog: www.volle-kanne-gesund.de

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dieConny
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Re: "Hoher" Blutzucker morgens - warum?

Beitragvon dieConny » 7. Oktober 2016, 10:26

Wow, Deine Hypothese ist vor allem ein guter Denkanstoß. Danke dafür. Ich habe zwar keine Diabetes, aber die Abläufe im Körper könnten so stattfinden. Wieder ein paar Zeilen, über die sich ein Nachdenken lohnt.

Sagitaria
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Re: "Hoher" Blutzucker morgens - warum?

Beitragvon Sagitaria » 24. Oktober 2016, 08:34

Sehr interessant, was ihr hier diskutiert.
In meinem Fall gehts um Gestationsdiabetes, nüchtern sollte ich unter 90 sein, bins aber nicht mehr. Erklärbar mit lc Ernährung - bloß für den arzt trotzdem ein Grund, moch spritzen lassen zu wollen.
Wenn ich mir das mit dem dawn-phänomen so überlege, sollte es doch hilfreich sein, so gegen zwei nochmal lc zu essen, oder? Damit bekommt der Körper was er will - Energie - und muss die Nebennierenachse gar nicht erst anschmeissen. Und ans nächtliche aufstehen gewöhn ich mich auch gleich wieder ;)
Oder liege ich mit der Überlegung ganz daneben?


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