Du vertrittst ja hier sehr massiv die These, dass man nur durch ein Kaloriendefizit abnehmen kann. Wie stehst du zu der These, dass man dadurch seinen Grundumsatz dermassen runterfährt, dass man immer weniger essen muss um abzunehmen?
Hi petzinger!
Das ist richtig - aber was anderes habe ich ja auch nie behauptet. Etwas weiter oben habe ich zB geschrieben:
Wenn man weniger Energie aufnimmt, als das dem individuellen Grundumsatz entspricht, dann interpretiert dies der Stoffwechsel als Notlage (ebenso wenn ich über ein bestimmtes Maß hinaus Ausdauersport mache und dadurch eine Ernergiebilanz erreiche, die bedeutet, dass ich weniger als den Grundumsatz durch die Nahrung decke) und fährt den Grundumsatz nach unten. Dies nennt man zur Charakterisierung der Stoffwechsellage "Semi-Starvation". Diesen Fehler sollte man zwar niemals machen, machen aber viele zu hoch motivierte Menschen gerne im Irrglauben, dass sie umso schneller an ihr Ziel kommen, je rigoroser sie die Energiezufuhr einschränken und/oder Sport treiben. Mit der zugehörigen Disziplin nimmt man so zwar kurzfristig viel Gewicht (nicht zwingend viel Fett) ab, aber der Jojo-Effekt wird sie gnadenlos einholen, sobald sie der Alltag wieder hat und der Grundumsatz womöglich dauerhaft reduziert sein, was Abnehmen im Lauf der Zeit immer schwieriger macht - vor allem dann, wenn man es immer und immer wieder mit Gewaltdiäten versucht.Aber: Auch kann ich selbst mit Butterschmalz meinen Abnahmeerfolg reduzieren/sabotieren, wenn ich über Nahrung mindestens meinen Grundumsatz abdecke und darüber hinaus konsumiere, denn was ich darüber hinaus in Ketose an Nahrungsfett zuführe, braucht mein Körper schon nicht aus dem Speicher holen, um seinen Energiebedarf auf zellulärer Ebene zu decken. Erreiche ich mit der Menge der aufgenommenen Energie meinen individuellen Verbrauch (der mit dem in den Tabellen angegebenen nicht viel zu tun havben muss), dann nehme ich nichts ab.
Semi-Starvation bewirkt, dass der Körper einerseits Fett zurückhält, andererseits den neben dem Gehirn größten Energieverbraucher, die (am wenigsten benötigte) Muskulatur gezielt abbaut. In Zeiten einer Hungersnot, die es in der Evolutionsgeschichte regelmäßig gab, ein intelligenter Mechanismus und deshalb hat er sich auch im Genom des Homo sapiens durchgesetzt: Fahr den Verbrauch runter und geize mit deinen Reserven - so macht mans ja auch vernünftigerweise, wenn man in eine finanzielle Notlage gelangen sollte: Die Konsumausgaben überdenken und den Spargroschen mehrmals umdrehen, bevor man ihn ausgibt - für die unerlässlichen Dinge die lebenswichtig und unvermeidbar sind.... .
Was man aber nicht vergessen sollte: Wenn man abnimmt (egal wie), nimmt ceteris paribus der Grund- und Leistungsumsatz in jedem Fall ab, weil physikalisch weniger Arbeit geleistet werden muss (weil man leichter ist und die Körperoberfläche kleiner wird) und Muskulatur, die nicht gebraucht wird in jedem Fall reduziert wird ("use it or lose it").
Daher muss man mit fortschreitendem Gewichtsverlust zwingend das unabdingbare Kaloriendefizit anpassen, indem man weniger isst und/oder für mehr Bewegung sorgt, was gleichzeitig den Impuls zum Abbau von Muskulatur bremst. Der Verlust an Muskulatur in Ketose ist überdies dann besonders hoch (und damit auch die Reduzierung des Grundumsatzes!), wenn man zu wenig Proteine zu sich nimmt, da diese über die Gluconeogenese Glucose liefern müssen, vor allem, wenn das Gehirn mit den Ketonkörpern noch nicht effizient arbeiten kann. Vor allem in den ersten Wochen LCHF sollte man deshalb nicht unter 150g/d Proteine gehen, danach rund 1,5g/d bezogen auf die fettfreie Körpermasse zu sich nehmen.
Nehme ich mindestens den Grundumsatz an Energie auf und achte ich auf adäqate Proteinzufuhr (nicht zu viel, sonst bricht die Ketose in sich zusammen, aber auch nicht zu wenig wie begründet), dann ist man auf dem richtigen Weg tatsächlich Körperfett abzubauen. Ohne ein Energiedefizit wird aber das nicht passieren, denn ist ausreichend Nahrung zugeführt worden, werden die Reserven nicht angegriffen (wenn stetig Geld aufs Girokonto überwiesen wird, muss man das Sparbuch nicht angreifen...).
Ich halte die Diskussionen, ob ein Energiedefizit generell nötig ist, um abzunehmen für eher albern, die interessantere Frage ist vielmehr, wie hoch der individuelle Grund- und Leistungsumsatz aussieht - da helfen einschlägige Tabellen Nullkommanull weiter, da das alles gobe Mittelwerte sind und eine enorme idividuelle Streuung vorliegt - und wie hoch die individuelle, verarbeitbare Energieaufnahme aus sieht.
Kalorientabellen helfen da leider auch nicht, denn entscheidend ist nicht, was wir zuführen, sondern was sich unser individueller Stoffwechsel davon nimmt bzw verwerten kann. Kann jemand zB Laktose oder Fructose nicht verstoffwechseln, dann hat das gleiche Nahrungsmittel für ihn weniger Kalorien als für denjenigen, der diese KH verstoffwechseln kann - völlig unabhängig davon, was in der Kalorientabelle steht.
Auch spielt eine Rolle, wie die Darmflora strukturiert ist und wie viele Kalorien uns unsere Mitbewohner über das sog. Energy Harvesting liefern. http://www.hindawi.com/journals/jobes/2012/879151/
Da geht es um Größenordnungen von 80 bis zu 200 kcal/Tag aus Ballaststoffen, die laut Tabellen dem Menschen angeblich keine Energie liefern. Unsere Darmflora wandelt diese aber in Fettsäuren um, die uns dann über den Darm als Energieträger ins Blut gehen und in der Energiebilanz durchaus ne Rolle spielen. Ob man eher am underen Rand oder am oberen Rand der energiemenge liegt, hängt wiederum von der individuellen Darmflora ab - darüber weiß man aber noch nicht allzu viel, weil man sich für dieses spannende Thema der Wechselwirkung mit unserer Darmflora bislang kaum interessiert hat. Mittlerweile experimentiert man in der Forschung mit gezielter Vernichtung der einschlägug verdächtigen Mikrobiota mit Antibiotika und nachfolger Stuhltransplantation mit Stuhl von Menschen ohne Gewichtsprobleme. Teils sogar erfolgreich... aber ob das der Königsweg sein wird? Ich weiß nicht recht....verfolge aber die Fachliteratur mit großem Interesse, da es acuh Hinweise gibt, dass bestimmte Darmbakterien Botenstoffe generieren, die über epigenetische Zusammenhänge Gene des Menschen ein- oder ausschalten können. Sind wir also die Sklaven unserer Mitbewohner, die mit uns machen können, was sie wollen...?
200 kcal am Tag, die in keiner Kalorientabelle auftauchen bedeuten - für jemanden, der akribisch versucht Input und Output laut Tabellen in der Waage zu halten - pro Jahr 73.000 Extra-Kalorien oder potenziell mehr als 10 kg Körperfett. Tja... da staunt der durchschnittliche Ernährungsberater, der von der DGE ausgebildet wurde, und schiebt es dann auf den vermeintlich willensschwachen Klienten, der wohl nebenbei mehr gefuttert haben muss, als er sollte.... dabei hat er nur das getan, was er sollte, sich "ballaststoffreich" ernähren, weil Ballaststoffe angeblich satt machen (tun sie nicht - das machen die Proteine) und keine Energie liefern (tun sie doch über das Energy Harvesting).
Ich bin mal wieder abgeschweift - sorry petzinger! Aber ich hoffe, dass ich das Missverständnis bereinigen konnte, das den Grundumsatz betraf.
LG Robert
